Ein italienischer Abend mit den üblichen Hindernissen.
Ein Gast kam mir bereits vor dem Essen abhanden. Luca bevorzugte die Gesellschaft weiblicher Wesen seines Alters. Er ist bekanntlich schon fast ein Mann.
Nun ja! Das erste Jahr als Teenager ist nicht einfach.
Dafür hatte ich einen weiteren Gast, der außer Konkurrenz lief. Er war bereits mein Gast und soll deshalb nicht weiter erwähnt werden.
Kimberly wollte sich den Abend mit Rapunzel vertreiben. Was sie allerdings nicht davon abhielt, regelmäßig in meiner Küche zu erscheinen um nachzusehen, wann denn das Essen fertig sei.
Marion und Volker unterhielten sich angeregt mit meinem Gast außer Konkurrenz. Vielleicht sollte ich ihn immer einladen? Bei einem anregenden Gespräch vergeht die Wartezeit schneller….
Okay! So viel vorab. Gehen wir jetzt wieder in den Feinkostladen.
Meine Brandblasen waren Gesprächsthema Nummer eins. Dass man sich beim Kochen auch mal die Finger verbrennt, konnten alle nachvollziehen, hatten es auch schon selbst erlebt. Das man sich den Mund verbrennt, weil man zu heiße Speisen kostet – auch okay!
Aber Mund und Kinn während des Kochens? Non! Das konnten sie nicht nachvollziehen. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass ich der malträtierte Koch war… Grinsen und Kopfschütteln!
Der Teller, der plat principal, war überladen. Dem Törtchen fehlte die Deko. Karamellisieren sei doch soooo einfach!
Es war wie immer. Es hagelte Kritik und Unverständnis.
Diesmal war kein gutes Wort von Maître Gayet zu erwarten. Der gute Mann war erkrankt.
Ich kaufte sämtliche Zutaten und dachte schon mit Schrecken daran, dass ich das alles auf drei Pizzen verteilen musste. Und die Böden musste ich erst noch herstellen….
Zuerst gönnte ich mir einen Cappuccino. Ich war einen klitzekleinen Moment der Überzeugung, dass Pizza backen nicht sooo schwer sein konnte.
Tja! Wie man sich doch irren kann….
Ich hatte glutenfreies Mehl gekauft. Man will seinen Gästen ja nicht vorsätzlich Magenschmerzen und Durchfall bescheren.
Woher sollte ich denn wissen, dass Gluten als Kleber bei Hefeteig fungiert? Dass man noch einen Ersatzkleber benötigt?
Ich kann keinen Hefeteig mit normalem Mehl herstellen (werde ich auch nach diesem Desaster nie versuchen), wieso sollte es mir dann mit glutenfreiem Mehl gelingen?
Ein kurzer Plausch mit Monsieur Internet. Es kann doch nicht sein, dass der alte Herr irrtümlich dem Glauben erliegt, er wäre mich los.
Ich hatte bereits nach Rezepten gefragt, aber ein Video ist doch um sooo vieles besser. Quasi eine Schritt für Schritt Anleitung.
Allerdings ist es auch frustrierend, wenn man weiß wie es aussehen soll und dann sieht wie es nicht sein soll.
Dabei sah das doch sooo einfach grrr simple aus, auf diesem Video….
Okay! Ich bröckelte Hefe ins Mehl, gab Wasser Olivenöl und Salz hinzu und die Küchenmaschine knetete fünf Minuten.
Der Teig kam für zwei Stunden in den Kühlschrank.
Dasselbe Prozedere noch einmal. Allerdings kam dieser Teig neben den Kamin.
Weshalb? Könnt Ihr euch das nicht denken? Die Köche waren sich mal wieder nicht einig, wo der Teig am besten „gehen“ sollte. Kälte oder Wärme? Da besteht ja kaum einen Unterschied…!
Carolin, die Köchin meiner grands-parents, hat den Teig immer zugedeckt in die Nähe des Ofens oder in die Sonne gestellt. Also – Wärme!
Aber vielleicht braucht Pizzateig Kälte? Aucune idée – deshalb beide Varianten.
Das Dessert war simple. Nachdem auch hier bei den Rezepten jeder sein eigenes Süppchen kocht, besser gesagt kreiert, habe ich mir gedacht, was soll’s… mach ich das doch auch….
Cornflakes statt biscuit… Obst statt Pudding, confiture oder dergleichen… keine Gelatine… Panna cotta (lactosefrei)statt Mascarpone (zu fett und kalorienreich). Da war nämlich noch die Sache mit der crème….
Die crème (lactosefrei), pardon, die Sahne spritzte (ich hatte den Deckel nicht aufgelegt) und hinterließ fettige Flecken auf der Tapete.
Wow! So viel Fett – eine geballte Ladung Kalorien!
Sahne und Panna cotta mischen und süßen (die nächste Ladung Kalorien).
Alles ins Glas geschichtet und ab in den Kühlschrank.
Mal kurz nach meinen Hefeteigen sehen und oooh!
Die waren noch immer dort, wo ich sie hingestellt hatte, waren nicht gegangen (wohin sollten sie gehen?). Hatten sich nicht verändert.
Non! Das sah im Video völlig anders aus…. Hatte ich diesmal gleich zwei Böcke geschossen? Aucune idée!
Bon! Ich gab ihnen noch eine Chance. Die hatten sie sich verdient. Dachte ich … hoffte ich…!
Ich gönnte mir auf diesen Schreck einen weiteren Cappuccino. Überlegte schon mal, was ich mache, wenn der Teig nicht so wird wie er sein soll.
Ehrlich gesagt, war ich mir sicher, dass er es nicht werden würde….
… Ich bestellte im Feinkostladen backfertigen Pizzateig… was nützt der tollste Belag, wenn die Unterlage fehlt….
Ich blanchierte Brokkoli, würzte gestückelte Tomaten, halbierte Cocktailtomaten, viertelte Artischocken, schnitt Oliven in Ringe, sah nach den Hefeteigen, die ihre zweite Chance nicht genutzt hatten, schnitt Auberginen und Champignons in Scheiben, Paprika in Streifen und Speck in größere Stücke, zerpflückte Schinken und Käse und wartete auf den Pizzateig.
Es läutete und ich dachte doch ernsthaft, der Bote des Feinkostladens bringt den Pizzateig.
Non! Meine Gäste kamen. Ups!
Schon soooo spät? Naja! Auch wenn man nicht von einer Katastrophe in die nächste stolpert, vergeht die Zeit wie im Flug.
Ich begleitete meine Gäste in den Salon und stellte den Erwachsenen Baron de Rothschild zur Seite.
Kimberly bevorzugte das Fernsehzimmer und wollte sich Rapunzel auf DVD ansehen.
Ich ging zurück in meine Küche und genehmigte mir Cappuccino Nummer drei. Endlich kam der Bote. Er hatte drei backfertige Pizzateige dabei.
Meine erste Freude erhielt einen Dämpfer, als ich las, der Teig müsse nach dem ausrollen erst fünfzehn Minuten entspannen. Entspannen?
Was sind denn das für Teige? Der eine will/soll/muss gehen, der andere muss erst mal entspannen? Ein sportlicher und ein fauler Teig?
Okay! Ich habe mich inzwischen daran gewöhnt, dass der Küchenjargon nicht meins ist.
Ich ließ ihn entspannen. Aber nur fünfzehn Minuten. Selbst wenn ich ihn vergessen hätte (auch nur kurzfristig), Kimberly, ein liebes, herziges Kind, erinnerte mich daran. Plötzlich stand sie in der Küche und fragte, wann es denn nun das Essen gäbe.
Wo denn Mary heute sei, wollte sie wissen. Ich erklärte ihr, dass Mary ihren freien Tag hatte. Deshalb wäre ich fürs Kochen zuständig.
Sie sah mich aus großen Augen an und stellte voller Bangen und Hoffen ihre Frage. „Aber Mary kommt doch ganz bestimmt wieder?“
Was es denn zu essen gäbe. Warum Pizza? Ob ich denn sonst nichts könnte? Spaghetti zum Beispiel.
Sie würde gerne Pizza essen, aber Spagetti mochte sie lieber. Ihre Mama würde auch Pizza machen. Aber auch Spaghetti kochen. Aber auch Sachen, die sie nicht so mochte.
Mit Pizza wäre sie dann aber einverstanden. Wenn ich sonst nichts könnte….
Nun ja! Es hat sich also schon bis zu den Vierjährigen herumgesprochen….
Ich belegte Pizza Nummer eins mediterran
Nummer zwei scharf gewürzt
und Nummer drei mit Salami und Champignons.
Noch bevor ich die Bleche in den Ofen schieben konnte, erschien Kimberly erneut.
Sie wollte sich nur noch mal nach der Pizza erkundigen. Meine Frage, welche sie bevorzugen würde, beantwortete sie mit einem „hmmm“. Mal sehen!
Was denn die langen grünen Dinger da auf der Pizza seien, wollte sie wissen. Chilis? Kennt sie nicht. Mag sie nicht. Sehen so komisch aus. Und die Würmchen auf der anderen Pizza mag sie auch nicht. Die Dinger mit den Blätter auch nicht.
Brokkoli mache Mama immer mit weißer Sauce. Den hat sie noch nie auf einer Pizza gesehen. Die runden Dinger auch nicht. Zudem mag sie die runden Dinger nicht.
Meine Frage, ob sie wisse, was das sei, diese runden Dinger, beantwortete sie mit nein. Aber trotzdem würde sie die nicht mögen.
Das sähe so grün aus und alles was grün ist, sei Gemüse und das würde sie nicht wollen. Zudem mag Luca das grüne Zeug auch nicht.
Die schwarzen Dinger will sie auch nicht essen. Die sähen so komisch aus, als ob die faul wären, so schwarz.
Mon Dieu! Ich dachte, ich hätte ein déjà-vu. Allerdings hieß das Kind in meinem Buch Lara-Laureen und ich legte ihr die Worte in den Mund.
Jetzt musste ich erleben, dass Kinder in der Realität genauso sind.
Ich schob die Bleche in den Ofen und Kimberly versprach, bald wieder zu kommen. Sie müsse jetzt zu Rapunzel.
Ich stellte den Timer auf zwanzig Minuten. Besser nachgaren, als angekokelt!
Ich gönnte mir einen weiteren Cappuccino und genoss die Ruhe.
Der Timer piepte und Kimberly stand parat. Sie wolle nur fragen, wann es denn nun endlich Essen gäbe.
Die Pizza war noch nicht gar. Ich schob sie zurück in den Ofen und stellte den Timmer erneut.
Warum ich die Pizza denn wieder in den Ofen schieben würde. Sie sähe doch ganz gekocht aus.
Nachdem ich mich bemüht hatte, ihr zu erklären, warum die Pizza nochmal in den Ofen musste und auch ihre weiteren Fragen beantwortet hatte, meldete sich der Timer erneut und die Pizza war fertig.
Ich machte ein paar Fotos und begann, die Pizza mit dem Messer zu schneiden. Warum ich nicht den Pizzaschneider benutzen würde, fragte mich mein Lieblingsgast.
Okay! Dafür ist dieses Teil gedacht! Die Pizza ließ sich so auch viel leichter zerteilen.
Kimberly nahm ein Stück Salamipizza und trug ihren Teller höchstpersönlich ins Esszimmer. Der Teller landete wohlbehalten auf dem Tisch, aber ihr Glas kippte um und der Saft ergoss sich über den Tisch.
Sie wollte es aufheben und stieß dabei Marions Glas um. Der Wein mischte sich mit dem Saft und eine neue Tischdecke musste her.
Non! Ich war nicht genervt. Ich liebe es, wenn Kinder selbstständig sind. Auch wenn mal was daneben geht.
Volker nahm sich vor, alles zu probieren. Die anderen stimmten ihm zu.
Kimberly sagte kein Wort. Bissen für Bissen schob sie die Pizza in den Mund. Nachdem sie aufgegessen hatte kam ein: das war superlecker.
Superlecker! Das schönste Lob, das ich bisher bekommen hatte.
Auch den anderen schmeckte es. Am Ende waren die Bleche leer.
Jetzt muss ich sagen, es war das erste Mal, dass ich das Lob meiner Gäste glaubte.
Kindermund tut Wahrheit kund.
Es wurde ein gemütlicher Abend. Fast hätte ich das Dessert vergessen.
Kimberly fragte, ob ich das auch selbst gemacht hätte. Ob ich mir da ganz sicher sei.
Nachdem sie ihr Glas geleert hatte, gab es das nächste Lob. Mama hätte noch nie so ein tolles Dessert gemacht.
Ich müsse ihrer Mama unbedingt sofort sagen wie man das Dessert macht.
Danach ist sie auf der Couch eingeschlafen.
Auch meinen anderen Gästen hatte das Dessert geschmeckt. Volker, der sich normalerweise nichts aus Süßem macht, war sehr angetan.
Zudem war er erfreut, dass ich gluten- und lactosefrei gekocht hatte.
So ging auch dieser Event zu Ende. Es war der letzte der zwanziger Reihe. Jetzt sind es noch 19 Events. 19!
Wie sich das anhört – toll! Wie wird sich erst 9 anhören… und irgendwann heißt es noch einmal. Ich kann es kaum erwarten bis es soweit ist.
Vielleicht lade ich Kimberly, diesen Sonnenschein, noch mal ein. Sie erfreut eines jeden Herz.
Heute habe ich nochmal Monsieur Internet bemüht. Warum Hefeteig nicht gehen will.
Tausende Antworten. Frage nicht beantwortet.
Neue Frage: Hefeteig geht nicht.
Tausende Antworten.
Wisst ihr, dass es ein Hefeteig-Forum gibt? Jetzt seid doch mal ehrlich. Wenn es für Hefeteig sogar ein Forum gibt, dann ist es doch schwierig, ihn herzustellen. Ich meine ja nur…. Ein eigenes Forum….
Aber! Jetzt weiß ich, warum mein Hefeteig nicht gehen wollte. Das Mehl war schuld! Definitiv! Dem fehlte das Gluten!
Woher sollte ich wissen, dass man noch Kleber braucht? Worum es sich bei diesem Kleber handelt, wollte ich allerdings nicht wissen.
Mir reichte schon, dass das Mehl schuld war.