Pot-au-feu! Geschafft! Es war doch nicht so einfach, wie ich gedacht hatte. Leider!
Sehr zeitaufwendig und nicht frei von kleinen Missgeschicken.
Aber es würde doch fast an ein Wunder grenzen, wenn es nicht so wäre. Wenn alles reibungslos funktioniert hätte.
Aber fangen wir wieder ganz vorne an. Richtig! Im Feinkostladen!
Mittlerweile hat der Dolmetscher die zusätzliche Aufgabe übernommen, meine, von ihm übersetzten Beiträge, zu Papier zu bringen. Madame Colbert verteilt sie dann an alle Mitarbeiter, Verwandte, Bekannte….
Nun ja! Solange sie keine Portraits verteilt….
Bon! Es war wie immer. Sie wussten bereits, was ich kochen muss. Es gab hitzige Diskussionen, was denn nun alles in den Pot-au-feu muss und was nicht.
Maître Paul hat es dann auf den Punkt gebracht. In den Pot kommt alles, was nicht schnell genug auf den Bäumen ist. Und alles, was im Garten wächst.
Schön gesagt. Ich hätte da Rosen, Lavendel, Jasmin, Hortensien, Rhododendren…. Non? Bon!
Scherz beiseite! Der Pot-au-feu ist ein altes Gericht für kalte Tage. Früher gab man selbsterlegtes in den Pot. Also, Rindfleisch (gepökelt), Fasan, Hase….
Auch beim Gemüse nahm man nur, was lange haltbar war. Porree, Kartoffeln, Karotten, Petersilienwurzeln.
Heute ist die Auswahl zwar größer, aber die traditionsbewussten Franzosen bleiben gerne beim Altbewährten.
Okay! Sie erlegen ihr Essen nicht mehr selbst.
Ich nahm Rindfleisch, das, wie der Metzger sagte, ganz sicher zart und weich wird. Viande fumée (In Allemagne geräucherter Bauchspeck?!? Keine Ahnung!), Putenbrust (wird garantiert weich und zart…). Und viel Gemüse….
Mit vielen Wünschen, für gutes Gelingen, wurde ich verabschiedet. Ich habe so eine Ahnung… ich glaube, die schließen Wetten ab… kann ich ihnen nicht verdenken….
Okay! Zuhause machte ich mich an die üblichen Vorbereitungen, über die ich ja nichts mehr sagen muss.
Dann begann ich mit den Vorbereitungen für den Kochevent. Mon Dieu! Wenn ich gewusst hätte, was da auf mich zukommt. In meinem jugendlichen Leichtsinn, hatte ich doch wirklich gedacht, dieses Gericht ist einfach und alles geht ruckzuck über die Bühne.
Ja! Ich weiß! Ich koche, nicht Paul Bocuse! Wobei ich sagen muss, der gute Mann würde mit seinen zarten 88 Jahren dieses Gericht schneller und vor allem besser herstellen, als ich.
Also, weiter geht’s. Erstmal putzte und schnitt ich das Gemüse für den ersten Teil des Gerichts. Lauch, Karotten, Sellerie….
Das Gemüse durfte in größere Stücke zerteilt werden. Das fand ich toll.
Tja! Und da gab es noch ein paar kleine Zwiebeln… die mussten nicht geschält werden… nur halbiert… UND SCHARF ANGEBRATEN WERDEN!!!
Also nur eine von ihnen, wollte ich nur mal kurz erwähnen… aber ihr wisst ja… meine „ich kann doch nicht kochen“ Zugabe… deshalb waren es mehrere dieser fiesen, kleinen Dinger.
Ja! Sie trieben mir wieder die Tränen in die Augen, obwohl sie nur halbiert wurden. Ich sagte doch, fiese, kleine Dinger!
Dann ging‘s los! Die beiden Zwiebelhälften mussten stark gebräunt werden. Wirklich! Stand so im Rezept! Stark bräunen!
Das gute daran: ohne Fett! Das hieß, es würde nicht spritzen. Es konnte nicht so schlimm werden….
Tja! Man definiere schlimm und schlimmer. Da fällt mir ein Spruch ein, den ein Kommilitone immer wieder mal aussprach. Vielleicht kennt ihr ihn (den Spruch, nicht den Kommilitonen).
Und aus dem Chaos kam eine Stimme und sprach: „Lächle und sei froh. Es könnte schlimmer kommen“. Ich lächelte und war froh und es kam schlimmer!
Dieser Spruch begleitete mich durch mein Studium und ist seither ein treuer Begleiter, der mir hin und wieder durch den Kopf geht.
Er hängt heute noch in einem Aktenschrank in meinem Arbeitszimmer.
Ich denke, es ist an der Zeit, ihn in die Küche zu hängen.
Okay! Wieder mal abgeschweift. Zurück zu der Pfanne mit den fiesen, kleinen Dingern.
Anfangs ging alles gut. Dann holte ich den großen Topf und oh! Stark gebräunt ist untertrieben.
Oh, dieser Gestank… ich hasse diese Dinger!
Okay! Nächste Pfanne, neue Zwiebelhälften. Nicht ablenken lassen, Temperatur senken, Zwiebeln bewachen….
Zwiebeln bewachen ist langweilig. Zudem brauchte ich einen Cappuccino….
Was soll ich sagen. Kaum lässt man diese Dinger kurz aus den Augen….
Nächste Pfanne, neue Zwiebelhälften. Niedrigste Stufe am Herd einstellen, Zwiebeln bewachen, Cappuccino trinken, Zwiebeln nicht aus den Augen lassen.
La sonnette (Türklingel)… l‘artisan (Handwerker) … Gespräch… Monsieur Melquiond rümpft die Nase… trop tard… zu spät….
Neue fiese Biester geschält und halbiert. Neue Pfanne und jetzt: ATTENTION!
Mon Dieu! Das dauert! Immer mal wieder kurze Kontrolle, sie bräunen vor sich hin. Bon!
Einen riesigen Topf mit Wasser füllen und ein paar Pfefferkörner hineingeben.
Ob ihr’s glaubt oder nicht, ich habe nirgendwo eine genaue Mengenangabe gefunden! Ehrlich!
Was soll ich noch dazu sagen… es war Pfeffer… dieses Gewürz, mit dem ich seit dem ersten Kochevent auf Kriegsfuß stehe.
Aber es war wirklich sehr viel Wasser in diesem Topf. Ich meine ja nur!
Noch ein paar diverse Kräuter, Gewürze, das Gemüse, das Fleisch und euh – die gebräunte Zwiebel.
Ich fragte mich, ob man auch eine stark überbräunte Zwiebel in den Topf geben kann. Ob man das überbräunte herausschmecken würde? Volles Risiko? Non!
Also, meine letzte Zwiebel. Wenn jetzt wieder was schief geht, hat mein Pot-au-feu keine Zwiebel im Sud.
Nach hundertprozentiger Überwachung, haben sich die Zwiebelhälften gebräunt. Non! Nicht stark gebräunt. Das Risiko wollte ich nicht eingehen. Bräunungsgrad? Nennen wir es zartbeige.
Jetzt sollte das Wasser kurz aufwallen und dann sollte der Schaum abgeschöpft werden. Abgeschöpft! Oh!
Das ist ja fast wie Butter klären. Nur das es Wasser ist. Geklärtes Wasser. Oder geklärte Brühe? Ist es schon Brühe, wenn das Wasser mal kurz aufwallte? Keine Ahnung!
Ich möchte es, ehrlich gesagt, gar nicht wissen.
Das Wasser wallte auf und Schaum bildete sich. Wie bekommt man den Schaum da runter? Löffel? Non! Sieb? Au! Finger verbrüht!
Okay! Der Schaum blieb, wo er war. Ich hatte irgendwo gelesen, dass man die Brühe auch durch ein Mulltuch geben kann.
Ich besitze kein solches Tuch. Ich werde ein Geschirrtuch nehmen.
Nachdem das Problem „Schaum abschöpfen“ gelöst war, nahm ich mich des restlichen Gemüses an.
Oh! Jetzt ging die Arbeit erst richtig los. Ich musste Kartoffeln schälen.
Wie ihr bereits wisst, mögen mich diese Dinger auch nicht. Sie verursachen Krämpfe in den Händen, weil sie nicht von mir geschält werden wollen. Verwandeln sich beim Schälen von XXL-Kartoffeln in XS-Minis und verursachen Schnitte in meinen Fingern.
Der Porree stand den Zwiebeln in Fiesigkeit (gibt es das Wort überhaupt?) in nichts nach. Er verursachte Tränen.
Die Karotten waren ebenfalls zickig und ich schnitt mir wieder in den Finger. Eine weitere Narbe.
Der Staudensellerie war kooperativ. Die Kohlrabi lecker… ich hatte Hunger….
Tja! Das Gemüse war, in große Stücke geschnitten, bereit für die geklärte Brühe. Doch die zog noch vor sich hin.
Oh je! Das Viande fumée! Das sollte schon seit einer Stunde mit der Brühe ziehen. Hoffentlich gab es noch genug Geschmack ab. Ich frage mich, ob es das rauchige abgeben soll. Das Fett wird wohl auch in die Brühe übergehen.
Und wenn alles Fleisch und alles Gemüse genug gezogen ist (Wohin auch immer! Ich finde diesen Ausdruck dämlich! Ich werde es künftig infuser nennen!), dann ist es eine wunderbare Bouillon.
Haha! Hört auf zu lachen! Ich gebe doch wieder mein Bestes!
Es läutete und meine Gäste kamen. Sie wollten doch etwas später kommen. Warum sind sie schon… ein Blick auf die Uhr… oh!
Romina war erstaunt, dass kein Brandgeruch in der Luft lag. Tja! Der hatte sich bereits verzogen.
Im Gegenteil, ein wunderbares Aroma läge in der Luft. Ich fühlte mich etwas veräppelt. Wunderbares Aroma! Das ich nicht lache.
Ich führte meine Gäste in den Salon und sie beschäftigten sich mit Baron de Rothschild. Ich zog mich in die Küche zurück.
Nachdem das Viande fumée nur minimal seine Aromen abgeben durfte, musste das Stück der toten Pute in den Topf. Auch das Teil durfte jetzt die Bouillon aromatisieren. Oder sollte es Aromen aufnehmen?
Zwischendurch schnitt ich pain blanc in kleine Würfel. Die sollten gebräunt werden, bevor sie in die geklärte Brühe (die Bouillon) kamen.
Ja! Das nächste Unglück kündigte sich an. Ich schnitt genug Würfel. Keine Sorge, ich plane doch immer jedwede Überbräunung mit ein.
Dann piepte der Timer. Jetzt musste das Fleisch bei 50°in den Backofen, damit es auch schön warmgehalten wurde.
Tja! Es sah gekocht aus. Nichts Besonderes. Es war nicht stark gebräunt! Ich hatte immer wieder Wasser nachgegossen, damit das Fleisch auch bedeckt war. Es wollte immer wieder zugedeckt werden.
Also, so blöd bin ich jetzt auch wieder nicht, dass mir das Fleisch im Suppentopf anbrennt. Muss ich jetzt doch mal sagen.
Okay! Es hätte sein können. War aber nicht so! Ha! Ein Erfolgserlebnis!
Ich schüttete die Brühe durch ein Sieb, in das ich ein Geschirrtuch gelegt hatte.
Wow! Das dauerte, bis alle Brühe durch das Tuch gesickert war. Kochen ist wirklich sehr zeitaufwendig. Wenn ich bedenke, was ich in der Zeit alles tun könnte….
Okay! Gefühlte Stunden später, war es dann endlich soweit. Die Brühe war geklärt – oder auch nicht! Sie hatte keinen Schaum mehr. Ist das geklärt? Keine Ahnung! Interessiert mich auch nicht wirklich!
Ich nahm einen neuen Topf und goss die Brühe hinein, gab Kartoffeln und Gemüse hinzu und stellte den Timer auf 30 Minuten.
Nun mussten die pain blanc Würfel in die Pfanne. Wieder kein Fett! Keine Fettspritzer. Trallala!
Nach 25 Minuten hatten sich die Würfel minimal gebräunt. Okay! Die Temperatur war minimal und ich rührte so oft, dass die Würfel gar nicht erst die Chance hatten, sich zu bräunen. Ich erhöhte die Temperatur etwas. Nur ganz leicht. Ehrlich!
Igitt! Verbranntes Brot stinkt fürchterlich. Erst 25 Minuten zicken und sich nicht bräunen und dann binnen Sekunden Minibriketts! Aber nur auf einer Seite.
Tja! Was soll ich sagen. Ich hätte ja neue Croutons gemacht. Aber… wie soll ich es sagen… ich habe – aus Versehen – ehrlich… alle pain blanc Würfel in die Pfanne gegeben. Pech!
Ich suchte die Würfel mit den hellsten Röstaromen heraus.
Ich gab die Bouillon in Suppentassen, gab die Croutons mit Röstaromen hinein und streute zerkleinerte Petersilie darüber.
Meine Gäste kamen zu Tisch und ich machte das obligatorische Foto.
Romina holte tief Luft, nachdem sie den ersten Löffel Bouillon gekostet hatte. Peter verzog keine Miene.
„Ich liebe es scharf“, sagte er. (Scharfes Essen! Bevor wieder Nachfragen kommen.)
„Mit dem Salz warst Du allerdings sehr sparsam.“
Tja! Da fällt mir ein, ich habe nicht ein Körnchen Salz an dieses Gericht verschwendet.
Das Wort „Salz“ muss ich wohl überlesen haben.
Zu den aromatisierten Croutons haben sie nichts gesagt.
Ich musste zurück in die Küche und den zweiten Gang auf die Teller bringen.
Ich nahm das warmgehaltene Fleisch aus dem Backofen. Verbrannte mir, so nebenbei, den Finger.
Der Anblick der Fleischstücke ließ mir fast den Atem stoppen. Sie hatten sich etwas gebräunt. Oder waren sie etwas vertrocknet? Keine Ahnung!
Und noch etwas hatte ich nicht berücksichtigt. Das Gemüse hatte eine etwas längere Infusion hinter sich. Ich weiß nicht, ob es Aromen aufgenommen oder abgegeben hatte. Ich weiß nur, dass es zu weich war. Ohhh!
Es fiel fast auseinander, als ich es endlich auf den Tellern hatte.
Okay! Das hatte auch einen Vorteil. Sie mussten nicht mehr so viel kauen.
Zur Konsistenz des Fleisches kann ich nichts sagen. Will ich auch nicht.
Ich machte das nächste Foto und servierte meinen Gästen den zweiten Gang.
Das Fleisch war zart. Der Ausflug in den Backofen hatte ihm keinen Schaden zugefügt.
Das Gemüse war auch zart. Und beide hatten sie eines gemeinsam – ihnen fehlte das Salz. Pfefferaromen hatten sie genug aufgenommen.
Nach dem Essen versorgte Romina die Verletzungen, die ich mir in der Schlacht zugezogen hatte. Die Brandblase hatte sich inzwischen enorm vergrößert.
Mary hat Recht. Ich sollte bei jedem Kochevent einen Notarzt anfordern. Rein prophylaktisch. Er oder sie muss ja nichts essen.
Besser wäre vielleicht ein ganzes Rettungsteam, samt RTW. Ich meine ja nur. Es könnte ja mal etwas völlig schief gehen.
Feuerwehr? Wäre vielleicht auch nicht schlecht. Warten auf den Notfall. Und das wöchentlich. Nur ein kleines Team, mit Atemschutz und was man alles so braucht, um zu löschen….
Lacht nicht! Mir wird übel, wenn ich mir vorstelle, was alles passieren kann….
So ging auch dieser Tag ohne größere Vorkommnisse zu Ende. Ich war völlig erschöpft. Lacht nicht! Kochen ist sehr anstrengend.
Jetzt sind es noch 41 Events. Im Laufe der Zeit werden meine Finger weitere Kerben bekommen. Verbrühungen werden abheilen und Brandblasen Narben hinterlassen.
Aber ich will diese Wette gewinnen!