Die Wette
Man sollte sich nie mit einer guten Freundin einen Film ansehen. Es könnte sein, dass man schon kurze Zeit später im schlimmsten Schlamassel steckt, den man sich nicht mal hätte vorstellen können. Diese Freundin könnte auf eine Idee kommen, die einem an den Rand des Wahnsinns treibt.

Nun ja! Ich habe mir einen Film angesehen. Diese Freundin, meine Freundin, heißt Chloé. Sie ist Französin, Richterin an einem der höchsten Gerichte Frankreichs und das, was man allgemein „gut betucht“ nennt. Sie hat viele gute Seiten und manch liebenswerte Macke. Wir haben viel gemein. Unter anderem können wir beide nicht kochen, haben es nie erlernt und auch nie den Wunsch verspürt, es zu erlernen. Warum auch? Es gibt viele gute Restaurants, Bistros, Catering und Tiefkühlpizza.
Wir können beide nur ein Gericht zubereiten. Miracoli sei Dank!

Nun ja! Der Film hieß Julie und Julia.
Da ist zum einen die amerikanische Diplomatenfrau Julia Child, die, im Paris der Nachkriegszeit, aus Langeweile nach einer Beschäftigung sucht. Nach langem hin und her landet sie schließlich an der Kochschule Cordon Bleu, wo sie das das Kochen erlernt.
Als Julia die Köchinnen Simone und Louisette kennenlernt, schließen sich die drei zusammen, um amerikanischen Hausfrauen die französische Küche nahezubringen. Cassoulet, Bouillabaisse und Bœuf bourguignon: Gerichte, die man in Amerika nicht aussprechen, geschweige denn zubereiten konnte.
1961 erschien Julia’s Buch Mastering the Art of French Cooking, 752 Seiten stark.
Man schreibt das Jahr 2002. Mastering the Art of French Cooking ist längst zu einem Standartwerk der kulinarischen Literatur avanciert.
Da ist Julie, eine junge Frau in der Lebenskrise, die in einem New Yorker Großraumbüro arbeitet. Sie ist frustriert, weil sie sich eigentlich der Schriftstellerei verschrieben hat, aber nie ein Buch vollenden konnte. Inspiriert durch eine Freundin beschließt sie, ein ganzes Jahr hindurch Rezepte aus Julias Kochbuch nachzukochen und ihre Erfahrungen auf einem der ersten Internet-Blogs festzuhalten. Ihr Ehemann wird als Testperson auserkoren…

Nun ja! Eben dieser Film brachte nun die gute Chloé auf die Idee, dass man doch aus den beiden Personen eine machen könne. Eine, die nicht kochen kann, aber es in einem Jahr lernen könnte (oder auch nicht! Sicher nicht!!!). Diese Eine, die darüber einen Blog schreiben könnte (das würde sie können!).
Ich fand die Idee gut. Leider hatte ich nicht bemerkt, dass mit dieser Einen ich gemeint war.
Alles Empören fand keinen Anklang bei Chloé. Schließlich bot sie mir eine Wette an, die ich unmöglich ablehnen konnte.
Ab sofort werde ich einmal wöchentlich kochen. Als Testperson muss ich mir jedes Mal einen Gast einladen. Zu jedem Event muss ein neuer Gast geladen werden. Niemand darf zweimal geladen werden.
Bis Mittwoch muss ich den Gast bekanntgeben. Bis Donnerstag entscheidet Chloé, was ich kochen muss. Der Event muss zwischen Freitag 18 Uhr und Sonntag 14 Uhr stattfinden. Bis spätestens Montag 19 Uhr muss gebloggt werden. Fotos inklusive.

Mittlerweile frage ich mich, welcher Teufel mich geritten hat. Das Kochen habe ich inzwischen weitestgehend aus meinen Gedanken verdrängt. Etwas anderes stellt sich zurzeit als schwieriger heraus. Die Testpersonen!
Als ich meinem Sohn von der Wette erzählt habe, sind ihm vor Einsetzen die Gesichtszüge entglitten. Ich konnte förmlich sehen, wie er nach passenden Ausreden suchte. Hatte er doch nur zu gut die Erinnerung an meinen ersten und einzigen Ausflug in die Welt der haute cuisine im Kopf.
Eine Erinnerung, die er mit Mäx, meinem besten Freund, teilt. Der sagt heute noch, dass ich wohl der einzige Mensch sei, der eine Hühnerbrust in ein Brikett verwandeln kann, dass innen noch aus rohem Fleisch besteht.
Auch meine Freundin Mary zeigte sich schockiert. Von der Flut der Ausreden, die ihr durch den Kopf schossen, nahm sie dann die verständlichste. Sie wohnt doch sehr weit von mir entfernt und hat auch nur sehr wenig Zeit.
Sie meinte dann noch, ich solle meinen Testpersonen vorher eine Verzichtserklärung vorlegen. Schmerzensgeld, Schadensersatz etc. ...

Nun ja! Ich will ja meiner Familie und meinen Freunden kein Leid zufügen. Ich weiß zwar nicht, wie ich das anstellen soll, aber ich werde mich bemühen. Vorsichtshalber werde ich immer eine Tiefkühlpizza im Gefrierschrank haben, wenn ein Event ansteht.

So, das war mein erster Beitrag. Er wurde etwas länger als geplant. Aber der Leser muss doch wissen, worum es hier geht.
Ich weiß zwar nicht, wie ich das alles überstehen werde, aber ich weiß genau, dass meine Leser sich köstlich amüsieren werden.