Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal schreiben würde, aber es geschehen noch Wunder.
So ein Wunder habe ich gestern erlebt. Ich hatte zwar einen stressigen und arbeitsreichen Event, aber ich war noch nie so entspannt.
Okay! Anfangs war ich unter enormem Zeitdruck. Aber dann geschah das Wunder.
Aber fangen wir wieder ganz am Anfang an. Non! Ausnahmsweise nicht im Feinkostladen. Gehen wir in mein Arbeitszimmer. Dort habe ich gelesen.
Okay! Das tue ich öfter. Aber, jetzt atmet alle nochmal tief durch, denn gleich werdet ihr einen Lachkrampf bekommen, diesmal war es etwas Besonderes.
Ich habe die Gebrauchsanweisung meiner Töpfe gelesen. Ha Ha Ha! Ich meine es ernst. So etwas gibt es.
Ich habe irgendwann mal erwähnt, dass ich ein paar Hightech Töpfe mein Eigen nenne.
Tja! Wer lesen kann ist im Vorteil. Aber es reicht nicht, es zu können, man muss es auch tun. Auch wenn es sich NUR um eine Gebrauchsanweisung für Hightech Kochtöpfe handelt.
Da ist nichts mit: Topf auf den Herd, Wasser rein und los. Pfanne auf den Herd, Fett rein und trallala. Da muss man aufheizen. Den Thermostat im Deckel beachten und hören, wenn der Audiotherm piept, weil der Topf die richtige Temperatur erreicht hat oder piept, weil man nicht aufgepasst hat und der Topf zu heiß wurde.
Bei den Pfannen darf man nicht zu viel Fett nehmen. Ein Hauch von Fett! Ein Hauch!
Ja! Ich weiß! Besser gesagt ich weiß es nicht. Was ist ein Hauch Fett?
ABER! Anscheinend wussten die Hersteller, dass es auch Leute wie mich gibt, die völlig Ahnungslosen und da diese Töpfe ein kleines Vermögen kosten und die Hersteller versprechen, dass NICHTS anbrennt und Leute wie ich ihnen das Geschäft verderben könnten, wenn es doch anbrennt, in ihren Töpfen und Pfannen, na, da haben die alles haarklein erklärt. (Uff – was für ein Satz!)
Also! Ein Hauch von Fett! Ihr müsst euch das so vorstellen, als ob der Boden der Pfanne leicht glänzt. Wenn man die Pfanne hin und her wiegt, darf kein Fett hin und her laufen. Es ist eben nur ein Hauch.
Oh! Das habe sogar ich kapiert. Aber ihr wisst ja, lesen, verstehen und dann machen… das sind immer verschiedene Dinge.
Da ich für gestern keine Zeit für Tests hatte, musste ich Donnerstagabend… okay… es war mehr Nacht… Mitternacht, noch einen kleinen Test starten.
Man muss doch wissen, wieviel genau denn nun so ein Hauch ist oder auch nicht….
Sagen wir mal so…. Ich hatte das Fenster geöffnet, den Dunstabzug auf höchste Stufe geschaltet und vorsichtshalber den Rauchmelder ausgeschaltet. Draußen tobte ein Gewitter und es stürmte.
Es schien, als wolle der Himmel mit dem anstehenden Chaos in meiner Küche konkurrieren.
Okay! Sagen wir mal so, der erste Hauch war mehr ein Sturm. Der zweite Hauch war ein starker Wind. Der dritte Hauch war immer noch windig. Der vierte Hauch war schon mehr ein laues Lüftchen. Der fünfte Versuch kam einem Pusten nahe und der sechste Versuch war dann fast schon ein Hauch, aber nur fast. Beim hin und her wiegen lief immer noch etwas Fett hin und her.
Aber dann… ich nahm den Pinsel und hauchte der Pfanne einen hauchdünnen Fettfilm über. Dass es sich bei diesem Pinsel um meinen nagelneuen Dachshaarpinsel handelte, muss ich der Genauigkeit wegen auch noch sagen.
Okay! Er ist zwar zum Malen gedacht, aber jetzt ist er mein „Ein Hauch von Fett“ Pinsel.
So! Gehen wir in den Feinkostladen. Ich ahnte schon, was mir dort wieder bevorstand. Aber da musste ich durch. Ich habe inzwischen ein dickes Fell.
Okay! Ich kam in den Feinkostladen und maître Gayet schob mir ein Päckchen über den Tresen. Ich müsse die Form für zwanzig Minuten in den Ofen schieben. Am besten kurz vor 18Uhr. Dann hätte mein Gast schon mal ein kleines entrée und müsse nicht bis in die frühen Morgenstunden hungern.
Nett gemeint, verständlich und doch frustrierend. Bis in die frühen Morgenstunden! Der gute maître traute mir aber auch gar nichts zu.
Okay! Auch verständlich.
Über meine kurzen posts der letzten Zeit waren sich alle einig: Das war zu wenig! Sie wollen mehr!
Okay! Ich bin schon dabei.
Gehen wir in die Küche. Maître Gayet hatte mir ein Roastbeef gegeben. Zartes Fleisch, das selbst ich in ein Bœuf bourguignon verwandeln könnte. Na ja!
Mit einer Dicke von 5 cm war es genau richtig. Ich maß das ganze Beef ab und teilte es in 5cm große Würfel. Okay! Manche fielen etwas kleiner aus, was aber am Beef lag.
Ich schnitt den durchwachsenen Speck in lardons und kochte sie 10 Minuten in Wasser.
Inzwischen pellte ich Schalotten und Karotten und schnitt sie in Stücke.
Ich nahm den Speck aus dem Wasser. Oh mon Dieu! Ist gekochter Speck glitschig!
Dann ging‘s los. Aus dem Lautsprecher kam: Auf in den Kampf… und ich nahm den Kampf auf.
Der Dachshaarpinsel zauberte einen Hauch Fett in die Pfanne. Als der Thermostat die grüne Zone erreicht hatte, tupfte ich das Beef trocken und legte es in die Pfanne.
Es brutzelte und ich konnte es kaum glauben – es spritze kaum. Wie sollte es auch, es war ja nur ein Hauch von Fett in der Pfanne.
Der Audiotherm piepte – die Pfanne war zu heiß. Nettes Teil! Hat mich uneigennützig vorm nächsten GAU bewahrt.
Tja! So ein Audiotherm ist etwas Wunderbares. Man muss ihn nur benutzen. In der Schublade nützt er nichts.
Okay! Ich wusste nicht mal, wozu das Teil bestimmt ist. Wozu eine Gebrauchsanweisung doch gut ist….
Das Fleisch musste rundherum angebraten werden. Ich sagte ja bereits, dass die Stücke nicht alle gleichgroß waren. So mussten sie sich am Rand aufreihen, damit sie nicht umfielen.
So briet ich 1 kg Roastbeef. Es war nicht hellbeige-grau sondern braun! Und es war nicht angekokelt!!!!
Ich konnte es kaum fassen. Mein erstes braun angebratenes Fleisch. Das erste Mal ohne Kokelei. Wunderbar!
Nun kamen die lardons in die Pfanne. Sie sollten nur leicht angebräunt werden. Und das waren sie, leicht angebräunt.
Okay! Ich ließ ihnen auch nicht die Zeit, sich mehr als zartbraun zu bräunen.
Es folgten sie Schalotten. Ihr könnt mir glauben, noch nie zuvor wurde Schalotten solch eine Aufmerksamkeit zuteil, wie denen in meiner Pfanne. Sehen die nicht gut aus?
Okay! Genug des Selbstlobs. Die Karotten kamen in die Pfanne. Leicht anbraten, schrieb Julia. Ich traute den Dingern nicht und so kam es, dass sie nicht von sich behaupten konnten, sie seien angebräunt.
Ihr müsst verstehen. Da hatte ich es zum ersten Mal geschafft, das Fleisch nicht zu verkokeln und dann sollte ich mit den Karotten ein Risiko eingehen? NON!
Ich gab alles in die Kasserolle und löschte den Bratensatz mit einer Flasche Baron de Rothschild und gab Bouillon hinzu.
Noch etwas Mehl darüber streuen und ab in den Ofen.
Ups! Kommando zurück. Ich habe das Würzen vergessen. Jetzt hätte ich doch fast wieder einen Bock geschossen.
So! Jetzt hatte ich die nächste drei Stunden Ruhe vor dem Bœuf bourguignon.
Auf diesen großen Erfolg gönnte ich mir einen Cappuccino. Ich musste mir keine Sorgen machen, dass etwas ankokelt oder ich in absehbarer Zeit etwas vergessen würde.
Das war schön…! Es schrie nach einer weiteren Tasse und noch einer….
Okay! Nach einer ausgiebigen Pause teilte ich die Champignons und gab die Minischalotten in eine Schüssel.
Ihr werdet verstehen, dass ich nicht die Nerven hatte, diese klitzekleinen Dinger zu pellen. Ich nahm mir die Freiheit, diese Miniteilchen fertig gepellt zu kaufen.
Oui! Die gibt es auf Bestellung fertig gepellt im Feinkostladen. Nicht als Konserve oder eingelegt im Glas. Frisch gepellt von einer guten Fee, die im Feinkostladen beschäftigt ist.
Julia besteht darauf, dass die Champignons und Schalotten extra zubereitet werden und erst kurz vorm Servieren zum Bœuf bourguignon kommen.
Das heißt, ich musste die Schalotten braten und garen. Gericht Nummer zwei. Julia verweist darauf in ihrem Rezept.
Oui! Wenn ihr nach Julias Kochbuch kocht, dann ist blättern angesagt. Und Bilder der Gerichte gibt es auch nicht. Deshalb musste ich dann doch auf Monsieur Internet zurückgreifen.
Er freute sich, von mir zu hören und schickte mir auch sofort ein paar schöne Fotos von Oignons glacés à brun et Champignons sautés au beurre.
Ihr müsst verstehen, ich musste doch wissen, wie diese Gerichte aussehen sollten.
Ein Hauch Fett in der Pfanne ist doch nicht alles.
Nun mussten die Clafoutis zubereitet werden.
Ich gab alle Zutaten in die Küchenmaschine und schenkte den Förmchen einen Hauch Fett.
Kirschen einfüllen und Teig darüber geben und es sah so aus.
Okay! Ich wandte mich den Oignons zu. Wieder ein Hauch Fett, diesmal im Topf. Die Minischalotten brauchten lange, bis sie sich endlich bräunten.
Sie bekamen ihr Wellnessbad in Bouillon mit Kräutersträußchen und durften fünfzig Minuten wellnessen.
Oh non! Das wollte Julia so. Ich habe nur getan, was im Rezept stand. Okay! Das stand nicht wellnessen, aber es ist das gleiche.
Um 18 Uhr erschien mein Gast. Margaux schnupperte und war überrascht, dass es gut roch. Das Aroma machte ihr Appetit.
Ich konnte mir ein erfreutes Lächeln nicht verkneifen.
Ich führte meinen Gast in den Salon und führte sie Baron de Rothschild zu.
Ich begab mich wieder in die Küche, denn es standen noch die Champignons auf dem Plan.
Auch hier wieder ein Hauch Fett und die Champignons bräunten sich.
Der Timer piepte und das Bœuf durfte aus dem Ofen. Es roch gut und es sah noch besser aus.
Ich gab die Oignons dazu und mischte die Champignons unter.
Schnell noch das obligatorische Foto bevor ich Margaux zu Tisch bat. Es war 18:30 Uhr. Ich hatte nur dreißig Minuten Verspätung.
Margaux klappte erstaunt ihr iPad zu. Sie hatte nicht damit gerechnet, alsbald zu dinieren.
Sie traute ihren Augen nicht. Und erst ihrem Gaumen.
Sie fragte mich doch allen Ernstes, wer mir heute hilfreich zur Seite stand, denn es schmeckte vorzüglich.
Wer mir zur Seite stand? Ein größeres Kompliment hätte sie mir nicht machen können.
Margaux isst sehr wenig. Aber gestern verlangte sie Nachschlag. Sie meinte, das hätte nicht mal der Koch ihres Lieblingsrestaurants besser machen können.
Naja! Da übertrieb sie wohl etwas. Aber was soll's.
Ich musste zurück in die Küche, denn die Clafoutis mussten in den Ofen.
Nach einer Stunde waren sie fertig und sahen so aus.
Ich richtete das Dessert auf einem Teller an und bestäubte es mit Puderzucker.
Margaux schmeckte es erneut. Sie konnte nicht glauben, dass ich der Koch war.
Ich sagte ja bereits, es geschehen noch Wunder.
So ging dieser Tag zu Ende. Ich hatte ein riesiges Chaos erwartet. Stattdessen lief alles reibungslos ab.
Ich kann es immer noch nicht glauben.
Ich muss sagen, wenn man alles entspannt angehen kann, hat man auch viel mehr Zeit Fotos zu machen.
Jetzt sind es noch 26 Events. Wenn es künftig immer so ablaufen würde, wäre es herrlich. Aber man soll den Teufel nichts an die Wand malen.