Sonntag, 6. Juli 2014
Poivrons farcis
Poivrons farcis! Gefüllte Paprika.

Wieder einmal dachte ich, das kann nicht sooo schwer sein. Wieder mal falsch gedacht.
Es gab mal wieder einige bockige Zutaten, spritzendes Fett und ein paar klitzekleine Unzulänglichkeiten.

Aber, beginnen wir wie immer ganz am Anfang. Begeben wir uns in den Feinkostladen.
Die Damen und Herren können sich das Grinsen inzwischen kaum noch verkneifen. Ich weiß selbst, dass viele von Euch gerne mal Mäuschen wären und mir beim Kochen zusehen möchten. Glaubt mir, über Brandgeruch zu lesen, ist angenehmer, als ihn live zu erleben.

Zurück in den Laden. Monsieur Gayet, le maître boucher (Metzgermeister), machte aus einem Stück Lammfleisch Hackfleisch. Mir tat das kleine Lamm leid. Ich bin froh, wenn ich es hinter mir habe.
Inzwischen sehne ich den Tag herbei, an dem ich etwas Vegetarisches zubereiten muss. Die vielen toten Tiere verursachen mir Alpträume.

In der Gemüseabteilung besorgte ich das Gemüse und wurde mit guten Ratschlägen bedacht.
Was nützen all die Ratschläge, wenn ich sie nicht umsetzen kann?
Werft einen Nichtschwimmer ins Wasser und deckt ihn mit guten Ratschlägen ein. Er wird versuchen sie umzusetzen und dann doch untergehen.
Okay! Gehen wir meinem nächsten Untergang entgegen.

Zuhause ging alles seinen, inzwischen gewohnten, Gang. Vorbereitungen zur Sicherung meines Hab und Gutes.
Vorbereitungen fürs Kochen.

Gemüse pellen und kleinschneiden. Die Zwiebeln warfen meinen Zeitplan um, wie könnte es auch anders sein? Aber ich plane immer so viel Zeit ein, dass auch die tränenreiche Zeit mich nicht allzu weit zurückwirft.

Okay! Da las ich doch in einem Rezept, zum ersten Mal! dass man die Stiele des Staudenselleries entfädeln sollte. Oh!

Mal wieder das gute Internet um Rat gefragt. Ich stelle mir in diesen Momenten das Internet immer als weisen, alten Mann vor, der mit seinem langen, weißen Bart auf seinem Sessel, aus der Zeit des Barocks, sitzt und meine Hilferufe entgegennimmt.
Ich sehe, wie er stirnrunzelnd den alten Kopf schüttelt und sich wundert, was ich jetzt wieder für dämliche Fragen stelle.
Ich warte auf den Tag, an dem er mir sagt: „Mädchen, lass es. Du kannst nicht kochen und Du wirst es auch nie lernen. Wende dich den Dingen zu, die Du kannst. Es gibt doch bereits mehr als genug Elend auf dieser Welt.“
Okay! Mädchen ist stark übertrieben. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass Monsieur Internet doch ein sehr alter Mann ist…
Lassen wir das jetzt und wenden uns wieder der Realität zu.

Monsieur Internet legte mir eine lange Liste, mit guten Ratschlägen, vor.
Okay! Auf den Rippen der Stängel sitzen also lange Fäden, die man mit einem scharfen Messer abziehen muss.
Es mag ja sein, dass man in meinem zarten Alter nicht mehr so gut sieht, aber ich habe wirklich keine Fäden gesehen. Ehrlich!
Ein guter Geist des Monsieur Internet gab folgende Weisheit von sich:
Sellerie wird von der Normalbevölkerung geschält und anschließend werden noch einzelne Fäden heraus gezogen.
Ich genieße Sellerie aber pur. Da wird nix kaputt geschält.

Sehr hilfreich! Ich gehöre nicht zur Normalbevölkerung und möchte auch nichts kaputt schälen.
Zudem wird die Sellerie so klein gewürfelt, da stören eventuelle Fäden nicht.

Die Chilischote hatte es in sich. Wieder liefen Tränen. Oh, ich ahne fürchterliches. Wenn das kleine Ding in den Augen brennt, wie brennt es dann erst auf der Zunge? Vielleicht verliert es beim Kochen etwas an Schärfe?
Nachdem ich die Schote in Miniwürfel geschnitten hatte, wechselte ich die Handschuhe. Nie wieder solch ein faux pas. Ihr erinnert euch? Die Tränen laufen, wenn ich nur daran denke.

Die Frühlingszwiebeln waren heute netter zu mir als sonst. Das sollte aber nicht heißen, dass sie diesmal auch in der Pfanne brav waren.

Jetzt musste der Reis gekocht werden. Françoise, eine Verkäuferin des Feinkostladens, hatte mir geraten, Kochbeutelreis zu nehmen. In der poivron würde es niemand merken, dass der Reis aus dem Beutel kam.
Okay! Ich befolgte ihren Rat. Inzwischen bin ich dazu übergegangen, das Wasser im Wasserkocher zu erhitzen. Egal, wieviel Wasser ich brauche, es kommt heiß in den Topf.
Vielleicht verhindere ich so, dass mir das Wasser abhanden kommt und der Schwimmer auf dem Trockenen sitzt und sich den Allerwertesten verbrennt.
Ich gab die angegebene Menge Wasser in den Topf und legte den Reis im Kochbeutel hinein. Sechzehn Minuten sollte er vor sich hin köcheln. Dann wäre er bissfest. Voller Hoffnung, auf gutes Gelingen, überlies ich ihn sich selbst. Böser Fehler!

Ich wendete mich der Pfanne zu. Wieder mal musste Fett erhitzt werden. Ich ahnte, was kommen würde und zog mir einen dicken Pullover über. In Anbetracht der Tatsache, dass die Schwüle, die das kommende Gewitter ankündigte, durch das offene Fenster in die Küche drang, in der der heiße Wasserdampf bereits für ausreichend Schwüle sorgte und das Kochen mir sowieso den Schweiß auf die Stirn trieb, war der Pullover das Tüpfelchen auf dem I. Innerhalb kürzester Zeit, floss der Schweiß in Strömen.
Okay! Da musste ich durch. Besser schwitzen, als heiße Fettspritzer auf den Armen. Wer gewinnen will, muss leiden!

Okay! Das Fett schmolz in der Pfanne, die Zwiebelwürfel hassten heißes Fett, alles war wie immer. Erst spritzte das Fett, dann hüpften die Zwiebelwürfel aus der Pfanne.
Warum kann ich keine Zwiebelwürfel scharf anbraten? Warum kann ich überhaupt nichts scharf anbraten? Da muss es doch irgendeinen Trick geben! Hilfe!!!

Ich muss nicht groß erwähnen, dass die Zwiebelwürfel eine extra Portion Röstaromen hatten. Glücklicherweise habe ich immer ausreichend Vorrat.
Da ich diesmal absolut keine Lust hatte, alles mehrmals zu machen, habe ich mich entschlossen, zur Ultima Ratio zu greifen.
Richtig! Baden!

So kam es, dass das Fett wieder mal gaaanz langsam in der Pfanne vor sich hinschmolz. Ich gab die Zwiebelwürfel hinzu und rührte. Rührte, rührte, rührte!
Irgendwann gab ich die Chili- und Selleriewürfelchen hinzu. Und weiterrühren! Die Übermenge an Fett und das viele rühren, ließen den vielen Würfelchen nicht die Chance, sich allzu viele Röstaromen zu gönnen.
Okay! Es sah auch nicht nach rösten aus, mehr so gedünstet. Aber die Würfelchen genossen ihr Wellnessbad.

Nun musste ich das Hackfleisch anbraten. Was soll’s? Noch mehr Hitze in der Küche! Ich stand kurz vorm Hitzschlag, aber was tut man nicht alles….
Wie ihr wisst, stehe ich mit „Hackfleisch fein krümelig braten“ auf Kriegsfuß.
Haha! Auch mit einigen anderen Zutaten. Ich weiß… Seit doch nicht immer so genau.

Maître Gayet gab mir den Rat, das Hackfleisch zu wenden, wenn es ganz zart geröstet duftet.
Okay! Es duftete und ich wendete. Tja! Wie erkläre ich das jetzt? Es roch bereits ganz zart geröstet, als ich es wendete. Leider vergaß Maître Gayet zu erwähnen, wie es nach dem Wenden duften musste, bevor man es erneut wenden musste. Ihr versteht?
Okay! Sagen wir mal so. Es duftete nicht mehr nach ganz zart geröstet. Aber ich hatte noch Hackfleisch für weitere Versuche.

Ich muss sagen, dass ich inzwischen ein sehr schlechtes Gewissen habe, wenn ich daran denke, wie viele hochwertige, teure Zutaten ich in Briketts verwandele.
Ich weiß selbst, dass man nicht immer zur Ultima Ratio greifen kann. Aber diesmal wollte ich ausnahmsweise keine weiteren Briketts mehr. Zudem lief der Schweiß in Strömen und mir wurde schwindlig.
Ich zog den Pullover aus und setzte mich erst mal auf die Terrasse. Nach zwei Cappuccino hatte ich mich einigermaßen erholt. Ich wollte mir noch eine dritte Tasse gönnen, als aus der Küche plötzlich so ein vertrauter Geruch zog. Im selben Moment ertönte dieser schrille Ton. Der Rauchmelder! Ich hasse kochen!
Okay! Ich gebe ja zu. Ich hatte vergessen, dass bei allzu viel Wellnessbad, das Badewasser auf unerklärliche Weise verschwinden kann.
Zu früh gefreut!

Jede Woche das gleiche Dilemma. Ich hatte keine Lust mehr auf kochen. Ich war im Begriff, das Handtuch zu werfen, als es läutete. Philippe!
Oh! Wo war die Zeit geblieben?

Ich öffnete die Tür, Philippe rümpfte die Nase und fragte, ob er mich jetzt in ein Restaurant ausführen dürfe. Oh, der Gute!
Für den Bruchteil einer Sekunde gefiel mir der Gedanke, aber wirklich nur für den Bruchteil einer Sekunde. Dann siegte mein Dickkopf und ich führte Philippe in den Salon.
Er verzog sich mit Baron de Rothschild auf die Couch und wünschte mir, mit einem verschmitzten Lächeln, viel Erfolg.

Voller Kampfeswille ging ich zurück in meine Küche. Der Brandgeruch hatte sich fast verzogen. Nur der Rauchmelder tat seine Arbeit. Ein Stoß mit dem Besenstiel brachte ihn zum Schweigen. Der Elektriker wird’s wieder richten.

Wieder schmolz das Fett langsam vor sich hin. Ich gab das Hackfleisch hinzu und bearbeitete es mit dem Kochlöffel, dass es fein krümelig werden sollte. Aber es wollte nicht.
Nachdem es sich erbarmt hatte und wenigstens bröckelig wurde, gab ich das Gemüse hinzu. Jetzt durfte alles zusammen wellnessen. Ich rührte und rührte und ja… es sah eben gewellnesst aus.







Nun ja! Wie sage ich es? Da stand doch wirklich noch ein Topf auf dem Herd. Der machte sich jetzt bemerkbar. Besser gesagt, sein Inhalt. Das Wasser folgte den Gesetzen der Physik und verflüchtigte sich. Irgendwann lagen die Kochbeutel auf dem Boden des Topfes und folgten den Gesetzen der Chemie.
Ich wusste nicht, dass Reis derart aufquellen kann. Sagenhaft! Und angekokelter Plastikbeutel stinkt widerlich!
Nun gut! Ich befüllte den Wasserkocher und gab den nächsten Kochbeuteln eine Chance. Da ich der Zeit meilenweit hinterher hinkte, könnt ihr euch denken, dass ich diese Kochbeutel nicht aus den Augen ließ.
Sie kamen dann auch dick und prall aus dem Wasser. Okay! Ich hatte vergessen, das Wasser zu salzen, aber das möge man mir verzeihen.
Ich ließ das Wasser abtropfen, schnitt einen Beutel auf und mischte den Reis unter das Hackfleisch.
Dann befüllte ich die ausgehöhlten Paprikaschoten. Tja! Ich hatte mehr Füllung als benötigt. Ich habe mich genauestens an die Mengenangaben gehalten. Vielleicht wäre die Füllung mehr geschrumpft, wenn ich sie gebraten und nicht nur gewellnesst hätte? Keine Ahnung!

Jetzt mussten die poivrons farcis noch in den Backofen. Damit sie nicht kokelten, gab ich Bouillon hinzu.
Nach zwanzig Minuten waren die poivrons gar. Okay! Sie hatten sich an manchen Stellen etwas überbräunt, aber diese Stellen kann Philippe entfernen.
Ich bestreute sie mit Grünzeug et voilà!

Ich machte das obligatorische Foto und Philippe konnte zu Tisch kommen.







Er beäugte kritisch mein Werk und begann die poivron zu sezieren. Er tat das so gründlich und liebevoll, ich denke, er wäre ein guter Chirurg geworden.

Okay! Wie bereits erwähnt, waren die poivrons an manchen Stellen etwas überbräunt, was aber ganz sicher am Backofen lag. Vielleicht sollte ich die Temperatur meines Hightech Backofens in Zukunft drosseln….
Der Chili hatte nichts an Feuer verloren. Die poivrons waren so scharf, dass man fast nicht bemerkte, dass ich vergessen hatte, sie zu würzen. Ups!

Philippe nahm’s mit Humor. Sichtlich erleichtertet, als er aufgesessen hatte, lobte er meinen Mut. Über meine, nicht vorhandenen, Kochkünste sagte er nichts. Merci!

Ich weiß, dass Philippe meine poivrons farcis nicht zu seinem Lieblingsgericht zählen wird. Das er alsbald wieder poivrons essen wird, bezweifele ich. Das heutige Gericht wird den Wunsch danach vertrieben haben.

So! Wieder mal geschafft. Im wahrsten Sinne des Wortes. Dieser Event hatte mich geschafft. Zum ersten Mal stand ich kurz davor aufzugeben. Aber nur kurz. Meinem Dickkopf sei Dank!

Ich war froh, als ich endlich unter der Dusche stand und die gesammelten Kochgerüche abwaschen konnte.


Jetzt sind es noch 37 Events. Nach dem heutigen Tag, bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich es bis zum Ende durchstehen werde.
Aber wir werden sehen.